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Figaro läßt sich Scheiden

de Ödön Von Horváth

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Figaro läßt sich Scheiden : Erster Akt - 1. Bild

Im tiefen Grenzwald. Graf Almaviva, die Gräfin, Figaro und Susanne fliehen vor der Revolution. Man hört nur ihre Stimmen, denn es ist stockdunkle Nacht.


Gräfin Wo bist du?

Graf Hier.

Gräfin Ich sehe nichts.

Graf Es ist die finsterste Nacht meines Lebens.

Susanne schreit kurz auf.


Figaro Was denn los?


Susanne Ich bin in etwas Weiches getreten.


Gräfin Hoffentlich gibts hier keine Schlangen.


Susanne Heiliger Himmel!


Der Mond bricht bleich durch die Wolken, und nun kann man die Flüchtlinge sehen.


Graf blickt ironisch empor: Wir haben zunehmenden Mond.


Gräfin sieht sich um: Beißen Schlangen auch in der Nacht?


Susanne zuckt ängstlich zusammen.


Figaro Gnädigste Frau Gräfin, wenn ich ergebenst bitten dürft, komplizierens nicht noch die Situation. Sie ist auch ohne Schlangen schon komplizierend genug.


Graf Das walte Gott.


Susanne Ich bin ganz zerkratzt vom Gestrüpp.


Gräfin Und ich zerfetzt –


In der Ferne fällt ein Schuß.


Susanne bange: Was war das?


Figaro Ein Schuß. Aber wir sind gerettet.


Gräfin Ich muß mich setzen – Sie setzt sich auf eine Wurzel.


Graf langsam und leise zu Figaro: Sind wir sicher schon jenseits der Grenze.


Figaro Herr Graf, ich kenne hier jede Lichtung. Links der See, rechts die Schlucht, drüben das Moos und dort liegt das teure Vaterland. Wir haben es hinter uns.


Graf Wollen es hoffen. Seit vierundzwanzig Stunden frage ich mich immer wieder, was habe ich denn nur verbrochen, daß ich wie ein ehrloser Brigant das Land meiner Väter heimlich verlassen muß, um das nackte Leben zu retten.


Figaro Ihr seid der hoch- und hochwohlgeborene Graf, oberster Erb-, Lohn- und Gerichtsherr. Sind das nicht Verbrechen genug? Er lächelt zweideutig.


Graf Die Ereignisse der letzten Tage sind unfaßbar. Seine Majestät ermordet, der Adel vertrieben, erschlagen, die Güter geraubt, die Kirchen zerstört, die Schlösser geplündert – ein Bäckergehilfe ist Marschall, ein Schuster Präsident und ein Schreiber Gesandter in London! Die Privilegien abgeschafft, gleiches Recht für alle, ob einer Landstreicher ist oder Fürst: gleiches Recht. Nein, dieses Unrecht kann sich nicht halten, es schlägt jedem göttlichen Gesetz ins Gesicht! Kein Mensch hätte das ahnen können.


Figaro Außer denen, die die Revolution gemacht haben.


Graf sieht ihn groß an.


Gräfin bange: Es geht wer –


Susanne Wo?


Alle lauschen.


Gräfin tonlos: Man verfolgt uns.


Figaro Keine Seele.


Graf Im nächtlichen Wald hört man immer Schritte.


Susanne Besonders im Herbst, wenn die Blätter fallen.


Stille.


Graf zart zur Gräfin: Komm, wir müssen weiter –


Gräfin leise: Ich möchte schlafen.v


Graf Hier? Im Wald?


Gräfin sieht ihn groß an und summt ein melancholisches Lied.


Graf hält die Hand vor die Augen.


Figaro um aufzuheitern: Gnädigste Frau Gräfin, ich hab mal mit einem Scheintoten gesprochen und der hat gesagt, lieber ein gehetztes Wild im Dickicht, als ein Kaiser unter der Erde! Lieber in einem Himmelbett, als im Himmel. Gnädigste Frau Gräfin, ich beschwör Euch, in spätestens einer halben Stunde erreichen wir das erste Dorf – ich spür es direkt! Verlaßt Euch auf meinen berüchtigten Instinkt!


Gräfin muß unwillkürlich leise lachen: Dein Instinkt, mein Bester, in allen Ehren –


Susanne fällt ihr ins Wort, ebenfalls um aufzuheitern: Oho Frau Gräfin! Über Figaros Instinkte laß ich nichts kommen! Es trifft alles ein, was er prophezeit, und er hat auch alles prophezeit.


Graf Auch die Revolution?


Figaro Die zu prophezeien, das war kein Kunststück gewesen.


Graf fixiert ihn: Kein Kunststück?


Figaro weicht aus: Wir waren alle taub. Oder blind.


Susanne Ich seh ein Licht! Dort!


Alle sehen hin.


Graf Ich sehe nichts.


Gräfin Wo ist mein Lorgnon?


Figaro Jawohl, ein Licht! Ich seh es genau – ohne Zweifel ein Haus, gnädigste Frau Gräfin!


Gräfin In Gottes Namen! Sie erhebt sich. Ich glaub schon, ich sitz in der Hölle und die Hölle besteht aus lauter Wald.



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